Willkommen in Bremen!? Die Willkommenskultur der Bremer Ausländerbehörde auf dem praktischen Prüfstand

Rede von Zahra Mohammadzadeh am 18.09.2014

Was ist mit dem Leitmotiv der Willkommenskultur gemeint?
Welche Veränderungen bedarf es dafür in der Bremer Verwaltung noch?

Wenn ich das Wort Willkommenskultur höre, habe ich eigentlich ein ungutes Gefühl.
Gibt es das überhaupt, eine wirkliche Willkommenskultur? Und was könnte ihr Leitmotiv sein?
In dieser Frage steckt schon das Verständnis einer bestimmten Einstellung, einer Grundhaltung der Gesellschaft. Aber wer ist denn „Gesellschaft“, wenn nicht die Bevölkerung einerseits und die Politik andererseits.
Nehmen wir die Bevölkerung:
Eine wirkliche Willkommenskultur ist bisher nicht auszumachen. Sie müsste alle Menschen einbeziehen, nicht nur die „wertvollen“, die „uns“ etwas einbringen. Die „unsere Gesellschaft“ bereichern. Sie müsste frei sein von Rassismus, von der Hierarchie der Hautfarben. Dazu müssten die Menschen in diesem Land konsequent gegen etwas angehen, das tief in ihnen verwurzelt ist.
Etwas, das in ihrer Geschichte eine sehr dominante und zugleich sehr zerstörerische Wirkung entfaltet hat.
Und das zu tun, nämlich gegen die tief in den Strukturen des Bewusstseins und Unterbewusstseins vergrabenen Ängste und Ablehnungen anzugehen, ist äußerst schwer. Übrigens in keinem Land und in keinem Volk, nicht nur dem deutschen.
Solche Veränderungsprozesse macht der Mensch nur in Situationen, wenn sich seine Interessenlage grundlegend gewandelt hat. Und das sehe ich zurzeit hierzulande nicht, wenn ich mir allein die Diskussionen an den Stammtischen und in den Medien über die Freizügigkeit anschaue.
Nehmen wir die Politik:
Wenn die Politik Willkommenskultur will, dann kann das nicht nur ein Gerede sein, ein Lippenbekenntnis. Es gehören knallharte politische Entscheidungen dazu.
Auch auf dieser Ebene ist dazu ein fundamentaler Sinneswandel nötig. Es erfordert eine sehr viel weitere Sicht auf den Menschen als die Politik bislang zu geben bereit ist. Sie dürfte nicht nur die Hochqualifizierten in den Blick nehmen, von denen die Wirtschaft profitiert. Sie müsste Entscheidungen zur Gleichstellung der Migrantinnen/Migranten treffen. Sie müsste sich rückhaltlos zum Prinzip „Integration vom ersten Tag an“( in Bezug auf Flüchtling) bekennen.
Zur Abschaffung der Residenzpflicht, der Abschiebehaft, des Asylbewerberleistungsgesetzes, des nachrangigen Zugangs zum Arbeitsmarkt, der Duldung als Aufenthaltsstatus.
Diese Regelungen verstoßen gegen die Menschenwürde. Sie sind mit einer Willkommenskultur nicht vereinbar.
Die Politik müsste auch die Untersten der Unteren in den Blick nehmen, die Papierlosen. Sie müsste endlich eine gesetzliche Regelung zur Legalisierung initiieren.
Was passiert aber in der Politik stattdessen?
Sie führt gesetzliche Feldzüge gegen nicht existierende Armutseinwanderer. Sie debattiert tagelang über die Maut für Ausländer auf „unseren“ Straßen, die nichts anderes ist als wenn man Ausländer einen Eintritt nach Deutschland bezahlen lässt.
Gerade das Los der Papierlosen zeigt, dass die Unterteilung der Menschen in „die Gesellschaft Bereichernde“ und „die Gesellschaft Belastende“ eine Fiktion ist. Die so genannten illegalen Zuwanderer putzen dieser Gesellschaft die Klos, schuften auf den Baustellen, spülen in den Restaurants das Geschirr. All das sind Dienstleistungen, von denen die Gesellschaft profitiert. Die also die Gesellschaft im Wortsinn bereichern.
Was könnte (vor diesem Hintergrund) das Leitmotiv der Willkommenskultur sein?
Es gibt inzwischen sehr viele Unternehmensberatungen und andere Firmen, die in der Wirtschaft großes Geld damit verdienen, Unternehmen den Begriff der Willkommenskultur nahezubringen.
Wenn man ihre Broschüren oder Webseiten liest, wird sofort klar, worum es dort geht. Nicht um die Menschen, nicht um die Integration.
Es geht um Wettbewerbsfähigkeit, um die bessere Erschließung des globalen Marktes.
Unter dem Stichwort „Kompetenzzentrum-Fachkräftesicherung“ veröffentlicht das Wirtschaftsministerium eine Broschüre unter dem Titel „Unternehmen positionieren – Willkommenskultur“. Ich habe darin geblättert und bin auf folgenden Satz gestoßen:
„Die Anwerbung von Auszubildenden aus dem europäischen Ausland bietet sich vor allem in Grenzregionen an. Vielerorts laufen aber auch Initiativen zur Anwerbung von Auszubildenden aus ferneren europäischen Ländern wie Spanien oder Rumänien.“
Die gleiche Regierung, die so tut als ob einwandernde EU-Bürger aus den Balkanländern nichts anderes im Sinn haben, als unsere Sozialkassen zu plündern, ermutigt hier zur gezielten Anwerbung von Arbeitnehmern aus Rumänien. Das mag schizophren erscheinen, ist aber aus Sicht der Wirtschaftspolitik nur konsequent.
Wenn wir uns hier über ein Leitmotiv für die Willkommen Kultur in Bremen auseinander setzen, brauchen wir eine andere Art von Konsequenz.
Wir müssen den Begriff von seiner Schwammigkeit und Unschärfe befreien.
Wir brauchen ein Leitmotiv, das nachprüfbar ist. Es muss ein Leitmotiv sein, das den Einrichtungen/ Verwaltungen und Menschen, die Willkommenskultur anwenden sollen, wirklich eine Anleitung gibt.
Meiner Ansicht nach können das nur die Menschenrechte sein. Die Menschenrechte sind unteilbar. Wenn wir sie als Leitmotiv wählen, muss auch die Willkommenskultur unteilbar werden. Was heißt das konkret?
Es heißt konsequente interkulturelle Öffnung mit nachprüfbaren Qualitätsmerkmalen.
Es heißt Mehrsprachigkeit in Behörden wie dem Stadtamt, um das es hier vor allem geht. Es heißt, Personal danach auszuwählen, ob interkulturelle Kompetenz vorhanden ist. Es heißt, die Menschenrechte systematisch zum Thema von Ausbildung und Fortbildung zu machen. Es heißt, in den Personalgliederungen am Abbau von Klischees und Vorurteilen zu arbeiten, nicht nur als Lippenbekenntnis, sondern mit konkreten Maßnahmen der Personalentwicklung.
Die Kritik (egal vom welcher Seite) muss positiv aufgenommen werden.
Sie muss ein Ansporn sein, die Sache besser zu machen. Wenn die Kapazitäten erschöpft sind, darf nicht die Reaktion sein, den Kopf in den Sand zu stecken.
Sondern es müssen Reserven locker gemacht werden, um die Kapazitäten zu erhöhen.
In der gegenwärtigen Unterbringungskrise der Flüchtlinge, die nach Bremen kommen, sehe ich eine Krise unserer Integrationspolitik.
Jetzt muss sich zeigen, ob das Integrationskonzept wirklich hält. Und zwar nicht durch Ausgrenzung und Aufnahmestopp, sondern durch vermehrte Anstrengungen, die Hilfesuchenden willkommen zu heißen.
Zugeständnisse an Sachzwänge seitens der Behörden dürfen nicht den humanitären Anspruch dieser Gesellschaft überlagern, eine Gesellschaft der Vielfalt und der solidarischen Hilfe für Zuflucht Suchende zu sein. Im Umgang mit Flüchtlingen wird sich offenbaren, ob diese Gesellschaft zu einer echten Willkommenskultur in der Lage ist.

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