Ausstellungseröffnung: „Von Kartoffeln und Aprikosen“ am 31.10.14

Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde!

Ich freue mich, Sie alle im Namen von Refugio, aber auch im Namen der grünen Bürgerschaftsfraktion begrüßen zu können.
Dies ist eine ganz besondere Kunstausstellung. Es handelt sich um ausgewählte Arbeiten aus der Kunsttherapie mit Flüchtlingen. Das heißt, diese Bilder sind nicht aus der beruflichen Beschäftigung mit Kunst entstanden, auch nicht als Hobby.
Wir sehen hier die Ergebnisse kunsttherapeutischer Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Und auch Foto-Kunst ist zu sehen.
Das ist alles sehr beeindruckend. Denn die Menschen, die diese Kunstwerke geschaffen haben, sind Flüchtlinge. Über 70 Exponate sind zu sehen, die in fünf Jahren entstanden sind. Sie sind auch ein Symbol unserer gesellschaftlichen Vielfalt: aus mehr als 15 Ländern stammen die Erschaffer! Ihre Arbeiten drücken aus, wovon sie träumen, wofür sie aber auch kämpfen wollen: vom Essen und Trinken, von Bildung und Arbeit, von Alltag und einem normalen Leben, vom Frieden und ein bisschen Glück. Und die Kinder träumen davon, all das zu leben, wenn sie erst groß sind.

Flüchtlinge, egal ob Kinder oder Erwachsene, werden in unserer Gesellschaft in erster Linie als Problem wahrgenommen. Die Gesellschaft nimmt ihnen eigentlich ein bisschen übel, dass sie ihre Probleme hier ins Land bringen. Hier in dieser Ausstellung erleben wir, dass Flüchtlinge mehr sind als nur Problemträger. Sie sind Menschen mit dem ganzen Reichtum an körperlichen und seelischen Erfahrungen, die das Menschsein einbezieht. Wir erkennen:

Flüchtlinge bringen ihre Seele mit!

Was für ein wunderbarer Vorgang im Grunde. Überlebende von Vertreibung, Errettete aus rassistischen Säuberungen, Entkommene aus Lagern, Gefängnissen und Folterkellern, Opfer von sexueller Gewalt suchen Zuflucht. Sie finden sie hier bei uns bei Refugio.

Ihr Überleben war kein Geschenk des Himmels. Sie mussten selbst aktiv werden. Sie mussten sich gegen die Unterdrückung und Hoffnungslosigkeit in ihren Ländern wehren. Auch gegen die Scham, Opfer geworden zu sein. Und sei es nur, indem sie den Aufbruch wagten, die Gefahren der Flucht auf sich nahmen. Vor Augen allzu oft die bittere Erkenntnis, in dem Land, in das sie flohen, nur vorübergehend geduldet zu sein. Sie haben all das gewagt, weil sie an die Möglichkeit eines Lebens in Freiheit und Würde glaubten.

Diese Menschen haben dabei Schaden genommen. Ihre Seelen sind tief verletzt worden, oft auch ihre Körper. Und nun erleben sie, dass ihren verwundeten Seelen Heilung widerfährt. Sie finden verständnisvolle Mitmenschen hier bei Refugio, die versuchen, ihnen dabei zu helfen. Denn nur sie selbst können die erlittenen Verletzungen heilen. Und oft kann die Hilfe nicht mehr sein, als ihnen ein bisschen Kraft zu geben, um mit der Traumatisierung zu leben. Denn nicht immer sind die Wunden ihrer Seelen heilbar.

Und dabei hilft ihnen die Kunst. Flüchtlinge haben unter vielen Einschränkungen zu leiden. Ihr Freiraum in der Aufnahmegesellschaft ist beengt. In dieser Situation der Enge und Begrenzung künstlerisch tätig zu sein, befreit. Diese einfache Wahrheit erfahren die Menschen hier bei Refugio. Die Arbeiten, die in dieser Ausstellung gezeigt werden, lassen das ganz unmittelbar nachempfinden. Refugio bietet ihnen Raum zu malen, zu gestalten, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Während sie malen oder Skulpturen anfertigen, erzählen sie ihre Geschichte, lernen spielerisch mehr über sich und über die Anderen. Der Blick auf das, was die Anderen schaffen, ist ein Blick der Toleranz und des sozialen Miteinander. Hier wird Potenzial gefördert, das Potenzial der einzelnen Menschen ebenso wie das der Gruppe.

Ich habe ein bisschen überlegt, was der Titel der Ausstellung uns eigentlich sagen könnte. „Von Kartoffeln und Aprikosen…“ da klingt ein wenig an, was ein kluger Mensch einmal als das Reich der Notwendigkeit und das Reich der Freiheit genannt hat. Es ist notwendig zu essen, aber der Mensch will auch frei sein zu genießen. Kunsttherapie ist eine gute Methode, um dies mit den eigenen Ressourcen nachzuvollziehen. Durch die künstlerische Tätigkeit kann man ohne Zwang erleben, welches Potenzial man hat

Und sie lernen noch mehr. Kreativ zu sein, heißt nicht nur zu malen, zu zeichnen, zu fotografieren oder sich bildhauerisch zu betätigen. Wer kreativ ist, kann vielleicht auch mit den Lebensaufgaben kreativer umgehen. Wir entdecken das Heilsame in uns. Wir lernen dabei, dass wir unser Leben so gestalten können, wie wir es uns vorstellen. Auch das kann Freiheit bedeuten: sich selbst kreativ Freiräume zu erarbeiten. Gegen alle Zwänge, die die Gesellschaft uns auferlegt.

Denn die Kunst ist eine Tochter der Freiheit.

Ich wünsche dieser Ausstellung viel Erfolg. Ihnen allen wünsche ich, dass die Kunstwerke der Flüchtlingskinder und Jugendlichen und der Erwachsenen Sie zum Nachdenken anregen, Ihnen aber auch Freude machen. Denn ich bin sicher, dass sie nicht nur Leid und Schmerz, sondern auch viel Kraft, Hoffnung und Stärke zeigen.

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